Ampel-Regierung: Midyatli sieht im Koalitionsvertrag großen Wurf

Serpil Midyatli (SPD), Fraktions- und Landesvorsitzende ihrer Partei. Foto: Axel Heimken/dpa/Archiv

Schleswig-Holsteins SPD-Landesvorsitzende und stellvertretende Parteivorsitzende Serpil Midyatli wertet den Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP in Berlin als erhofften großen Wurf. „Wir schaffen den politischen Aufbruch, den sich viele Menschen wünschen“, teilte Midyatli am Mittwoch mit. „Mit der Ampel wird Deutschland sozial, digital und klimaneutral.“

SPD-Spitzenkandidat Thomas Losse-Müller sieht neuen politischen Stil

Der Spitzenkandidat der SPD für die Landtagswahl in Schleswig-Holstein im nächsten Mai, Thomas Losse-Müller, sieht in der Ampel-Koalition einen neuen politischen Stil, „der Fortschritt und Veränderung als Chance für gesellschaftliche Verbesserungen versteht“.

Olaf Scholz: „Die Ampel steht“

Zwei Monate nach der Bundestagswahl haben SPD, Grüne und FDP ihre Koalitionsverhandlungen abgeschlossen und damit den Grundstein für die erste Ampel-Bundesregierung gelegt. „Die Ampel steht“, sagte SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz am Mittwoch in Berlin. „SPD, Grüne und FDP haben sich in den Verhandlungen auf einen gemeinsamen Koalitionsvertrag verständigt und damit auf ein neues Regierungsbündnis.“ Es gehe nicht um eine Politik des kleinsten gemeinsamen Nenners, „sondern um eine Politik der großen Wirkung“, sagte Scholz. „Wir wollen mehr Fortschritt wagen.

Robert Habeck: „Dokument des Mutes“

Der Grünen-Vorsitzende Robert Habeck bezeichnete den Koalitionsvertrag als ein „Dokument des Mutes und der Zuversicht“. FDP-Chef Christian Lindner betonte: „Was jetzt gebildet wird, ist eine Regierung der Mitte, die das Land nach vorn führt.“ Er sagte voraus, dass Scholz ein „starker Bundeskanzler“ wird.

Mietpreisbremse soll verlängert und verschärft werden

Im Koalitionsvertrag wurde unter anderem Folgendes festgeschrieben: Um Wohnen bezahlbar zu machen, soll die Mietpreisbremse verlängert und verschärft werden. In Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt soll die Miete binnen drei Jahren nur noch bis zu elf Prozent steigen dürfen statt wie bisher bis zu 15 Prozent. Stromkunden sollen entlastet werden, in dem zum 1. Januar 2023 die Finanzierung der milliardenschweren EEG-Umlage zur Förderung des Ökostroms über den Strompreis abgeschafft wird. Zum Schutz der Bundeswehrsoldatinnen und -soldaten bei Auslandseinsätzen soll eine Bewaffnung von Drohnen ermöglicht werden.

Kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene

Die voraussichtliche Ampel-Koalition will zudem eine „kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften“ einführen. Dadurch würden „die Qualität kontrolliert, die Weitergabe verunreinigter Substanzen verhindert und der Jugendschutz gewährleistet“, heißt es. Das geplante Gesetz solle nach vier Jahren auf „gesellschaftliche Auswirkungen“ überprüft werden. Weiter heißt es im Koalitionsvertrag: „Wir verschärfen die Regelungen für Marketing und Sponsoring bei Alkohol, Nikotin und Cannabis.“ Bei der Vorbeugung gegen Missbrauch von Alkohol und Nikotin wollen die drei Parteien „auf verstärkte Aufklärung mit besonderem Fokus auf Kinder, Jugendliche und schwangere Frauen“ setzen. Im Blick stehen sollen auch Modelle zum „Drug-Checking“. Bei solchen Angeboten können zum Beispiel Partygänger:innen auf dem Schwarzmarkt gekaufte Drogen auf Reinheit testen lassen.

Gesetzlicher Mindestlohn soll auf 12 Euro pro Stunde steigen

Den gesetzlichen Mindestlohn wollen SPD, Grüne und FDP auf zwölf Euro pro Stunde erhöhen. Sie verständigten sich zudem auf die Bildung eines neuen Bundesministeriums für Bauen. Vorgesehen ist auch eine Erweiterung des Wirtschaftsministeriums um das Thema Klimaschutz. Bis 2030 soll Deutschland 80 Prozent seines Stroms aus erneuerbaren Energien beziehen. Die Ampel-Parteien wollen den öffentlichen Nahverkehr stärken und dazu vom kommenden Jahr an die sogenannten milliardenschweren Regionalisierungsmittel erhöhen.

Schuldenbremse ab 2023 wieder einhalten

SPD, Grüne und FDP vereinbarten ferner, dass die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse ab 2023 wieder eingehalten werden soll. Im kommenden Jahr müssten aber wegen der andauernden Pandemiefolgen noch einmal neue Kredite aufgenommen werden. Kommunen mit hohen Altschulden sollen entlastet werden.

Billigung durch Parteitage und Mitgliederbefragung steht noch aus

Der Koalitionsvertrag muss bei SPD und FDP jeweils durch Parteitage und bei den Grünen in einer Mitgliederbefragung gebilligt werden. Die rund 125.000 Grünen-Mitglieder sollen nach Parteiangaben ab diesem Donnerstag in einer digitalen Urabstimmung über den Vertrag befinden. Auch über das Personaltableau der Grünen, also etwa die Besetzung von Ministerämtern, sollen sie entscheiden.

Scholz soll ab dem 6. Dezember zum Kanzler gewählt werden

Nach dem Zeitplan der drei Parteien soll Scholz in der Woche ab dem 6. Dezember im Bundestag zum Kanzler gewählt werden. Damit endet nach 16 Jahren die Ära von Angela Merkel (CDU), die bei der Bundestagswahl am 26. September nicht wieder kandidiert hatte. Die Kanzlerin und ihre Minister:innen von Union und SPD trafen sich am Mittwoch zu ihrer möglicherweise letzten Kabinettssitzung. Merkel erhielt von Scholz einen Blumenstrauß. Anschließend versammelte sich das Kabinett zu einem Gruppenfoto auf einer Treppe im Kanzleramt.

Verteilung der Ministerien

Auch über die Verteilung der Ressorts verständigten sich SPD, Grüne und FDP bereits. Die SPD wird mit Olaf Scholz künftig den Kanzler stellen und zudem sechs Ministerien bekommen, die Grünen fünf und die FDP vier. Die SPD übernimmt demnach das Innen- und Verteidigungsministerium, ein neu geschaffenes Bauministerium, sowie die Ressorts Gesundheit, Arbeit und Soziales sowie wirtschaftliche Zusammenarbeit. Auch den Kanzleramtsminister wird sie stellen. An die Grünen geht ein neu geschaffenes Wirtschafts- und Klimaministerium, das Außenministerium sowie die Ressorts Umwelt/Verbraucher, Agrar/Ernährung und Familie. Die FDP bekommt das Finanz-, Verkehrs-, Bildungs- und das Justizministerium.

Koalitionsverhandlungen waren am 21. Oktober gestartet

Die Koalitionsverhandlungen hatten am 21. Oktober begonnen, nachdem die drei Ampel-Parteien zuvor in Sondierungen den Grundstein dafür gelegt hatten. Geführt wurden sie in einer Hauptverhandlungsrunde aus zuletzt je sieben hochrangigen Vertreterinnen und Vertretern jeder Partei sowie in 22 Arbeitsgruppen. In diesen handelten die Fachpolitiker:innen der Parteien die Details des Koalitionsvertrags aus.

Nach dem üblichen Rhythmus von Bundestagswochen käme das Plenum in der Nikolauswoche erstmals am 8. Dezember zusammen. Sollte dann die Kanzlerwahl stattfinden, wären seit der Bundestagswahl 73 Tage vergangenen. Zum Vergleich: Nach der Wahl 2017 dauerte die Regierungsbildung 171 Tage – so lange wie nie zuvor. Vier Jahre vorher waren es 86 Tage gewesen. Dagegen kam die erste und die zweite rot-grüne Bundesregierung von Kanzler Gerhard Schröder (SPD) 1998 und 2002 jeweils in nur 30 Tagen zustande.

Mit dpa

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