«Es muss hier weitergehen» – 35 Jahre VW Sachsen

Silke Novotny ist seit 35 Jahren im Zwickauer Volkswagen Werk dabei. «Es muss hier weitergehen», ist sie überzeugt. Hendrik Schmidt/dpa
Silke Novotny ist seit 35 Jahren im Zwickauer Volkswagen Werk dabei. «Es muss hier weitergehen», ist sie überzeugt. Hendrik Schmidt/dpa

Zwickau (dpa) –

Stolz. Wenn langjährige Mitarbeiter von Volkswagen in Zwickau über die Vergangenheit reden, fällt immer wieder dieses eine Wort. Stolz sei sie gewesen, als sie 1990 hier angefangen habe, sagt etwa Silke Novotny. Zu der Zeit wurden hier noch der DDR-Kleinwagen Trabant und der VW Polo parallel gebaut. «Es war unser Ansporn, besser zu sein als Wolfsburg», erzählt die 59-Jährige aus der Qualitätssicherung. Und wenn es darauf ankam, hätten alle «die Arschbacken zusammengekniffen». 

Volkswagen Sachsen feiert an diesem Freitag in Zwickau 35. Jubiläum. Und Novotny ist von Anfang an dabei. «Es ist wie ein Traum, was hier entstanden ist.» Sie berichtet, von immensem Lärm in der Produktion damals und dass alles rund um das Werk eine einzige Baustelle war. Doch nicht nur die Autofabrik selbst habe sich weiterentwickelt, auch die Infrastruktur ringsum. «Im Vergleich zu damals ist das heute hier ein Quantensprung.» 

Was vergleichsweise klein mit einigen Hundert Mitarbeitern begann, galt über viele Jahre trotz mancher Durststrecke als Erfolgsgeschichte. Doch die hat Risse bekommen. Wurde der Standort vor einigen Jahren als Pionier der Elektromobilität im Volkswagen-Konzern gefeiert, macht ihm inzwischen die Absatzschwäche am Automarkt zu schaffen. Personal wurde abgebaut, die Nachtschicht an beiden Produktionslinien gestrichen. Künftig sollen Modelle an andere VW-Standorte abgegeben werden. 

Voriges Jahr war die Sorge groß, als VW die Beschäftigungssicherung kündigte und massive Einsparungen drohten. «Es standen Werkschließungen im Raum», verdeutlicht der Betriebsratsvorsitzende Mario Albert die Dramatik. Eine neue Situation für viele Beschäftigte. Inzwischen gebe es einen neuen Vertrag, der die Standorte sichert. «Die Kollegen und Kolleginnen sind stolz, bei Volkswagen zu arbeiten», ergänzt sein Stellvertreter Mike Rösler. 

«Es hat in den vergangenen 35 Jahren immer wieder Höhen und Tiefen gegeben», erinnert VW-Sachsen-Chef Danny Auerswald. «Aber all das hat die Mannschaft mit der sächsischen Kreativität und Fischelanz gemeistert.» Es gehe darum zu zeigen, dass in Deutschland wettbewerbsfähig Autos gebaut werden können. Dazu brauche es niedrigere Fabrik- und Produktionskosten. Dazu gebe es gute Fortschritte, so Auerswald. «Das ist aber ein Marathon, kein Sprint.» Zu Volkswagen Sachsen gehören neben der Autofabrik in Zwickau auch das Motorenwerk in Chemnitz und die Gläserne Manufaktur Dresden. 

Die Mitarbeiterzahl in Zwickau ist von 9.200 zu Jahresbeginn auf etwa 8.500 gesunken und die Produktion hat wieder angezogen. Mit rund 212.000 Fahrzeugen werde man etwa 4 Prozent über dem Vorjahr liegen, sagt Auerswald. Rückenwind erhoffen sich die Autobauer zudem von der neuen staatlichen Kaufprämie für E-Autos, die die Bundesregierung angekündigt hat. Berichten zufolge könnten die Modelle Cupra und ID.3 länger in Zwickau laufen. Darauf angesprochen verwies Auerswald auf die noch ausstehenden Entscheidungen im Aufsichtsrat im Rahmen der aktuellen Planungsrunde. 

Und künftig soll Zwickau mit der Demontage und Aufbereitung von Fahrzeugen erneut Pionier im Konzern werden. Dazu liefen die Vorbereitungen, Förderanträge seien gestellt, heißt es. Nach dem Neubeginn 1990 und der Transformation zur ersten reinen E-Auto-Fabrik in Europa ab 2018 stehe der Standort damit «vor seiner dritten Neuerfindung», konstatiert der Chemnitzer Autoexperte Werner Olle. «Zwickau verfügt als moderner Fertigungs- und Logistikstandort über ideale Voraussetzungen, um ein europäisches Demontage- und Diagnostikzentrum für Elektrofahrzeuge zu werden.» 

Die Kreislaufwirtschaft könne aber nur ein zusätzliches Geschäftsfeld sein, betont Betriebsrat Mike Rösler. «Es müssen langfristig weiter Neuwagen produziert werden.» Schließlich hat das seit mehr als 120 Jahren Tradition in Zwickau. «Und daran hängen auch viele Jobs bei Zulieferern. Die Menschen hier brennen für den Automobilbau.» 

Silke Novotny könnte sich zurücklehnen. Immerhin hat sie nur noch einige Monate zu arbeiten und kann dann Dank Altersteilzeit in den Ruhestand gehen. Doch sie bleibt kämpferisch: «Es muss hier weitergehen.» Das sieht auch ihr Kollege Holger Simon so. Der 57-Jährige ist ebenfalls von Anbeginn dabei. «Ich war damals euphorisch, etwas Neues mit aufzubauen», erinnert er sich. Und anders als viele andere Menschen in Ostdeutschland sei er keinen einzigen Tag arbeitslos gewesen nach der Wiedervereinigung – Dank des sicheren Jobs bei VW. All das erfülle ihn, sagt er, mit Stolz.

© dpa-infocom, dpa:251211-930-410177/1

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