Hier schwimmt «KUNO» – Forscher tüfteln am Zukunftskutter

In Leer wird der Zukunftskutter im Modell schon getestet – nun steht die Entwicklung eines Prototypen an.  Lars Penning/dpa
In Leer wird der Zukunftskutter im Modell schon getestet – nun steht die Entwicklung eines Prototypen an. Lars Penning/dpa

Leer (dpa) –

Mit dem neuen Kuttermodell «KUNO» soll die Küstenfischerei in der deutschen Nordsee eine nachhaltige Zukunftsperspektive bekommen. Die Bundesregierung fördert die Entwicklung eines Kutter-Prototypen nun mit zehn Millionen Euro. Die Abkürzung «KUNO» steht dabei für «Zukunftskutter Nordsee». Geplant, gebaut und erprobt wird der Kutter bis 2030 am Maritimen Technikum der Hochschule Emden/Leer – ein Blick in das Labor der Wissenschafter, wie «KUNO» aussehen wird und was er können soll. 

Warum ist überhaupt ein «Zukunftskutter» nötig? 

Auch die Küstenfischerei soll langfristig klimaneutral werden. Das Problem: Die bestehenden Kutter an der Nordseeküste sind in die Jahre gekommen. Das Durchschnittsalter liegt bei 40 Jahren. Neue, klimaneutrale Schiffsantriebe lassen sich technisch und wirtschaftlich kaum mehr in die bestehenden Fahrzeuge einbauen, sagen Experten. Daher soll ein neues Kuttermodell her. 

Man könne keiner Fischereifamilie zumuten, einen eigenen Fischkutter zu entwickeln, sagt Jann Strybny, Professor am Fachbereich Seefahrt und maritime Wissenschaften der Hochschule Emden/Leer, der «KUNO» mitentwickelt. «Die brauchen einfach das Produkt, mit dem sie loslegen können», sagt der Wissenschaftler. «Wir sorgen dafür, dass jüngere Fischer die Chance bekommen, mit einem neuen Arbeitsgerät an den Start zu gehen.»

Die jungen Fischer könnten nicht immer weiter mit den Schiffen ihrer Großväter rausfahren, sagt auch Gerold Conradi, zweiter Vorsitzender des Landesfischereiverbandes Weser-Ems. «Wir brauchen moderne, junge Schiffe für die jungen Kapitäne und Fischer der Zukunft.»

Den Bau eines Prototyps eines umweltfreundlichen Kutters hatte auch die Zukunftskommission Fischerei der Bundesregierung in ihrem im Frühjahr veröffentlichen Abschlussbericht empfohlen. 

Was soll der Kutter der Zukunft können? 

Der Zukunftskutter soll multifunktional sein. «Also den Fischern viele verschiedene Erwerbsmöglichkeiten bieten», sagt Strybny. Ob Krabben fangen, Schollen fischen, Touristen zu Seehundbänken fahren oder Daten für die Wissenschaft sammeln – so sollen die Küstenfischer ihr Arbeitsgerät flexibel einsetzen können. Auch nachhaltige Fangtechniken sollen nutzbar sein. 

Wie sieht der Kutter der Zukunft aus?

Noch gibt es nur Entwürfe. Was sich schon sagen lässt: Der Kutter der Zukunft wird anders aussehen als die traditionellen Krabbenkutter an der Küste. Bei «KUNO» befindet sich das Steuerhaus weiter vorn auf dem Schiff hinter einem großen Bug. Dadurch soll es einen besseren Wetterschutz und mehr Sicherheit für den Fischereibetrieb auf dem Achterdeck geben. Außerdem sollen so die Unterkünfte an Bord und der Fischereibetrieb voneinander getrennt werden.

Insgesamt soll der Kutter mehr Platz, besseren Komfort und mehr Sicherheit bieten. Mit rund 20 Metern Länge wird der Zukunftskutter auch etwas länger sein als bisherige Kutter. «Wir brauchen das größere Volumen, um alternative Kraftstoffe zu bunkern und um mehr Schiffstabilität zu erzeugen», sagt Strybny.

Wie wird der Kutter der Zukunft angetrieben? 

Über den Antrieb haben sich die Wissenschaftler nach eigenen Angaben viele Gedanken gemacht. Wasserstoff benötige für einen Kutter zu viel Volumen, Ammoniak käme aus Sicherheitsgründen nicht infrage, sagt Professsor Strybny. «Das Schiff wird mit Methanol betrieben, einem grünen, alternativen Kraftstoff.» Allerdings sei auch Methanol «keine Wunderwaffe», denn der Kraftstoff müsse aus erneuerbarer Energie an Land erzeugt und gespeichert werden. Dafür soll auch eine eigene Schiffstankstelle entstehen – der Standort ist noch offen. 

Batterien kommen laut den Forschern bislang übrigens nicht für den Antrieb infrage – wegen fehlender Leistung. «Die Fischer sind etwa fünf Tage auf See», sagt Strybny. Mindestens so lang müsste dann auch ein Akku Energie liefern. 

Wer plant und baut den Kutter der Zukunft? 

Hinter der Entwicklung stehen die Fraunhofer-Arbeitsgruppe Nachhaltige Maritime Mobilität und die Hochschule Emden/Leer – beide haben auch schon die Vorarbeit für Entwürfe und Modelle geleistet. Dazu waren die Forscher auch im Austausch mit den Küstenfischern, welche Anforderungen es an einen Zukunftskutter gibt. Teil des Entwicklungsprojektes sind auch das Thünen Institut für Seefischerei in Bremerhaven und die Nationalparkverwaltung Niedersächsisches Wattenmeer in Wilhelmshaven. 

Können sich Fischer überhaupt so einen Zukunftskutter leisten? 

«Ich bin der Meinung, dass das funktioniert», sagt Fischer Conradi. «Wäre ich jetzt 30 Jahre jünger: Ich würde es machen. Ich sehe auch eine Zukunft in der Fischerei.» Doch auch die künftigen Rahmenbedingungen müssten für die jungen Fischer stimmen. Da sei die Politik gefordert. 

Hinter den Küstenfischern stecken meist kleine, familiär geführte Betriebe. Wegen der zuletzt miesen Wirtschaftsjahre wird es wohl schwierig, dass die Betriebe die Investitionen allein stemmen werden können. Deshalb wird es beim Kutterneubau auch um passende Finanzierungsmodelle gehen. Geschätzt wird, dass der Kutter der Zukunft etwa rund zwei Millionen Euro kosten wird.

Verschwinden dann bald die alten Kutter aus den Küstenorten? 

Ja, zumindest werden es absehbar weniger werden. Denn die Bundesregierung hat kürzlich auch ein Hilfsprogramm mit rund 20 Millionen Euro zum Abwracken alter Kutter auf den Weg gebracht – so soll Fischern angesichts immer schwerer werdenden Fangbedingungen der Ausstieg aus dem Fanggeschäft ermöglicht werden. Die Kutterflotte soll um rund 30 Prozent verkleinert werden. 

«Wir wollen so den Umbau der Flotte möglich machen», sagte die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundeslandwirtschaftsministerium, Silvia Breher (CDU) bei der Förderbescheidübergabe. Neben «KUNO» werde auch an einem ähnlichen Kutter-Projekt für die Ostsee gearbeitet. 

Warum ist «KUNO» dennoch ein Hoffnungssignal für die Branche? 

Die wirtschaftlichen Sorgen bei den Küstenfischern wachsen seit Jahren. Die Fangmengen von Krabben, Muscheln und Frischfisch sind rückläufig. Außerdem schwinden Fanggebiete etwa durch den Ausbau von Offshore-Windparks. Strengere Vorgaben gibt es zudem durch den Meeresnaturschutz. 

Die Küstenfischer wünschen sich daher Planungssicherheit und eine Perspektive für die Küstenfischerei. Die könnte der Zukunftskutter bieten, sind sich Fischer und Wissenschaftler einig. «Mit dem Projekt öffnen wir eine Perspektive für die nächste Generation von Fischern: Moderne Technologien und ein Betriebskonzept, das Ökologie und Ökonomie zusammenführt», sagt der Präsident der Hochschule Emden/Leer, Marco Rimkus.

© dpa-infocom, dpa:251222-930-458281/1

Copy LinkCopy Link
Zur Startseite