Die Schreibaktion des gemeinnützigen Vereins „Post mit Herz“ geht in eine neue Runde. Diesen März heißt es wieder: „Gemeinsam gegen einsam“ und es werden noch viele Briefeschreiber:innen sowie soziale Einrichtungen gesucht, die teilnehmen möchten.
Sie hat viele Gesichter und doch kennt sie wohl jede und jeder. Über sie reden möchte aber kaum jemand, denn sie ist stark mit dem Gefühl der Scham verknüpft: Einsamkeit. Immer noch ein Tabuthema. Sie macht weder vor Alter oder Beruf noch vor Religion Halt. Selbst in großen Menschenmengen kann man sich einsam fühlen.
Soziale Isolation besonders an Feiertagen spürbar
Doch noch anfälliger für Einsamkeit sind wohl Menschen, die in sozialen Einrichtungen leben – in Alten- oder Pflegeheimen, (Kinder-)Hospizen, Frauenhäusern, Obdachloseneinrichtungen, Waisenhäusern oder ähnlichem. Nicht jede oder jeder hat das Glück, in ein gutes soziales Netz eingebettet zu sein. Besonders an Feiertagen wird dies deutlich, wenn diese Menschen die Tage isoliert verbringen. Wenn niemand zu Besuch kommt, keiner anruft und der Briefkasten leer bleibt. „Und eben weil jeder von uns schon mal eine Form von Einsamkeit erlebt hat, kommt die Aktion, glaube ich, jedes Jahr wieder so gut bei den Leuten an“, sagt Gina Staschke von Post mit Herz. „Deshalb konnten wir jedes Jahr weiter wachsen und immer mehr Schreiber:innen für uns gewinnen.“ Die Aktion treffe offenbar einen Nerv in der Gesellschaft.
Gemalte Bilder, Karten oder Briefe verschicken
2020, während der Corona-Pandemie, hatten elf Freund:innen aus Hamburg die Idee, freiwillige Kartenschreiber:innen mit sozialen Einrichtungen zu verbinden und fremden Menschen in sozialen Einrichtungen eine ganz persönliche Post mit Herz zukommen zu lassen. „Für mehr Miteinander und gegen die Einsamkeit“ lautet das Motto der Ehrenamtlichen.
Gebastelte oder gekaufte Karten, gemalte Bilder oder handgeschriebene Briefe – bei der Gestaltung gibt es keine Regeln – alles, was vom Herzen kommt, ist willkommen.
„Einsamkeit ist nicht nur an Weihnachten“
In der Weihnachtszeit ist die Spendenbereitschaft allgemein besonders hoch. Das sei auch bei Post mit Herz spürbar. „Aber Einsamkeit ist nicht nur an Weihnachten – Einsamkeit ist immer“, betont Gina Staschke. Deshalb gebe es auch jetzt wieder, zur Osterzeit, eine Schreibaktion. 2023 wurden bei der Winteraktion 124.224 Karten und Briefe verschickt. Im Vergleich dazu: Bei der Osteraktion im vergangenen Jahr waren es lediglich 72.059 handgeschriebene Grüße. Hier dürfe also gerne noch etwas aufgeholt werden. Noch öfter solle die ehrenamtliche Aktion aber nicht stattfinden. So bleibe sie etwas Besonderes, zudem müsse man auch den Mehraufwand für die Einrichtungen bedenken. Die Mitarbeitenden lesen schließlich jede einzelne Karte, die bei ihnen ankommt und überlegen dann, welche Karte zu wem passt. „Das müssen die neben ihrem Alltag auch erst einmal leisten können“, sagt Staschke anerkennend.
Online-Anmeldung seit 3. März wieder möglich
Aber wie beginnt man überhaupt einen Brief an eine wildfremde Person? Es macht schließlich einen Unterschied, ob man an ein Kind in einem Hospiz oder an einen alten Menschen in einer Pflegeeinrichtung schreibt. Deshalb ist Gina Staschkes wichtigster Tipp: Online anmelden, Adresse erhalten und erst dann losschreiben. Seit dem 3. März ist die Registrierung auf postmitherz.org wieder aktiv.
Zunächst gibt man bei der Anmeldung an, wie viele Briefe man überhaupt verschicken möchte – 15 ist das Maximum. Anschließend bekommt man die Adressen von entsprechend vielen Einrichtungen sowie die jeweiligen Beschreibungstexte zugeschickt. Dort stehe dann unter anderem drin, warum die Menschen in der jeweiligen Einrichtung einsam seien, warum sie sich über Post mit Herz freuen würden oder auch, auf was man achten sollte. „Zum Beispiel kann da auch stehen: ‚Wir freuen uns, wenn Sie eine bunte Karte malen, weil das die Gemüter erhellt'“, erklärt die Organisatorin. „Weil die Menschen eben vielleicht gar nicht mehr in der Lage sind, zu lesen.“ Wenn man diese ganzen Infos also bekommen hat, fällt es auch leichter, die Post mit Leben zu füllen. Denn dann ist klar, wo sie am Ende landen wird. Bis zum 23. März muss sie in den Briefkasten geworfen werden.
„Du bist bestimmt überrascht, dass du jetzt eine Karte von mir bekommst, obwohl du gar nicht weißt, wer ich bin, aber das macht auch gar nichts, denn ich schicke dir viel Sonne und ein Lächeln, denn ich lächle auch gerade, während ich diesen Brief schreibe.“ So oder so ähnlich könnte ein möglicher Anfang lauten. Weitere Inspirationsmöglichkeiten bietet auch der Instagram-Account von Post mit Herz. „Und manchmal reicht auch schon ein gemaltes Bild oder eine Karte mit Motiv“, weiß Gina Staschke. Gerade bei an Demenz erkrankten Personen könne das viel bewirken. „Dann erinnern die sich plötzlich an Dinge, die sie früher oder in ihrer Kindheit erlebt haben.“ Das sorge für helle Momente in den Einrichtungen und neuen Gesprächsstoff – ganz über den Inhalt des Briefs hinaus.
Briefe haben hohen emotionalen Wert
Gina Staschke möchte allen Schreiber:innen signalisieren: „Die Zeit, die du dir nimmst, ist wertvoll und deine Zeilen werden nicht einfach nur gelesen, sondern das macht was mit den Menschen, die sie erhalten.“ Besonders bei älteren Menschen, die nicht im digitalen Zeitalter aufgewachsen sind, habe ein handgeschriebener Brief noch einmal einen anderen emotionalen Stellenwert. „Und es gibt den Empfänger:innen das Gefühl, nicht vergessen zu sein und da ist jemand, der an sie denkt“, fährt Staschke fort. Die Post werde oft aufgehängt, sei also etwas Bleibendes und verpuffe nicht einfach so. „Quasi eine Win-win-Situation für alle“, sagt die Hamburgerin lachend und fährt etwas ernster fort: „Denn gerade in den jetzigen Zeiten passiert das doch nicht mehr häufig. Und es gibt ja auch den Schreiber:innen selbst ganz viel zurück, wenn sie die Dankbarkeit erfahren.“
Antworten sind möglich – aber nicht die Regel
Apropos zurückbekommen: Sicherlich gibt es auch Schreiber:innen, die sich über eine Antwort freuen würden. Wenn man das möchte, kann man gerne seine Adresse mit auf die Karte oder den Brief schreiben. „Aber bitte nicht traurig sein, wenn dann keine Antwort kommt“, beschwichtigt Gina Staschke. „Es gibt verschiedenste Gründe, zum Beispiel aufgrund von Krankheiten oder weil jemand auf der Straße lebt und gar nicht die Möglichkeiten hat, zu antworten, dass dann auch mal nichts zurückkommt“, erklärt sie weiter. Aber es gebe durchaus auch ganze Brieffreundschaften, die sich schon entwickelt hätten. Eine Frau in einer Kölner Pflegeeinrichtung hat beispielsweise eine Karte von einer Schreiberin aus Hamburg erhalten. „Und die Dame kommt aber auch ursprünglich aus Hamburg“, erzählt Staschke freudestrahlend. „Das hat für sie also noch einmal einen ganz anderen emotionalen Bezug, wenn da plötzlich eine Person aus der alten Heimat schreibt. Das hat die Pflegerin also super ausgesucht und der richtigen Person die Karte zugeteilt.“ Auch aus diesem Beispiel hätte sich eine Brieffreundschaft entwickelt. „Das sind die Geschichten, wo wir selbst auch denken: ‚Wow, das ist ja Wahnsinn'“.
Am Ende gehe es aber einfach um Nächstenliebe und darum, anderen seine Zeit zu spenden. „Und da möchten wir uns auch wirklich noch mal bei allen Schreiber:innen bedanken. Es ist wirklich rührend zu sehen, wie viel Mühe sich jede und jeder Einzelne gibt. Das bestätigen auch die Einrichtungen.“
Gloria Saggau (SAT.1 REGIONAL)