Hamburg (dpa) –
Die mutmaßlichen Entführer der Block-Kinder haben nach Angaben ihres Chefs im Hamburger Luxushotel der Unternehmerfamilie ohne Bezahlung wohnen und essen dürfen. «Es war ganz klar abgeklärt, dass wir nicht bezahlen müssen», sagte der 68-Jährige, der auf Englisch aussagte, nach Angaben einer Dolmetscherin als Zeuge im Landgericht.
Der Geschäftsführer, der nach eigenen Angaben ein israelisches Unternehmen für Cyber-Sicherheit leitet, soll die Entführung der beiden damals zehn und 13 Jahre alten Kinder weg vom Wohnsitz des Vaters in Dänemark in der Silvesternacht 2023/24 organisiert und durchgeführt haben.
Richterin gab rechtlichen Hinweis
Die Vorsitzende Richterin Isabel Hildebrandt hatte an einem früheren Prozesstag einen rechtlichen Hinweis mit Blick auf den mitangeklagten Anwalt der Block-Gruppe gegeben. Der 63-Jährige könne auch wegen Untreue verurteilt werden, weil er die Anweisung gegeben haben soll, die Israelis über Wochen und Monate umsonst im Hotel zu beherbergen.
Dadurch sei der Elysée Hotel AG ein Schaden von mindestens 200.000 Euro entstanden. Christina Block könne in dieser Sache wegen Beihilfe oder Anstiftung verurteilt werden. Auch die Einziehung von Wertersatz sei bei einer Verurteilung möglich.
Der Chef des Sicherheitsunternehmens ist in dem aktuellen Prozess keiner der sieben Angeklagten. Er ist Beschuldigter und wurde bis vor einigen Wochen mit Haftbefehl gesucht. Für seine freiwillige Aussage sicherten ihm die Ermittlungsbehörden sicheres Geleit zu. Nach Aussage eines anderen Zeugen soll der Mann Berufssoldat bei den israelischen Spezialkräften und Abteilungsleiter beim Geheimdienst Mossad gewesen sein.
Hohe Sicherheitsvorkehrungen im Gericht
Es war der dritte Tag in Folge, dass der Zeuge unter hohen Sicherheitsvorkehrungen zu seinem Schutz aussagte. Die Maßnahmen haben den Angaben zufolge aber nichts mit diesem Prozess, sondern mit der Biografie des Zeugen zu tun.
Fünf Stunden lang stellte die Vorsitzende Richterin an diesem 26. Prozesstag Fragen, fertig ist sie noch nicht. Im neuen Jahr soll der Zeuge weiter aussagen, wann genau, ist unklar. Dann könnten auch andere Prozessbeteiligte Fragen stellen.
Hauptangeklagte ist die Hamburger Unternehmerin Christina Block. Ihr wird vorgeworfen, nach einem langen Sorgerechtsstreit mit ihrem Ex-Mann Stephan Hensel den Auftrag zur Entführung gegeben zu haben. Die Tochter des Gründers der Steakhaus-Kette «Block House», Eugen Block, bestreitet das. Hensel, der bei der Rückholaktion verletzt wurde, ist Nebenkläger in dem Verfahren.
Nach ihren Angaben ging es bei dem ersten Treffen mit dem Chef der Sicherheitsfirma um das IT-System ihres Hotels «Grand Elysée». Die Cyber-Sicherheit des Hauses sollte getestet und verbessert werden. Bei der Entführung der Kinder habe die Firma auf eigene Faust gehandelt.
Einchecken unter Alias-Namen
Im Hotel checkten die mutmaßlichen Entführer unter Alias-Namen ein, wie der Zeuge bestätigte. Laut Anklage lauteten sie beispielsweise «Doris White» und «George Smith». Diese hätten sie sich nicht selbst ausgesucht, sondern seien auf den Umschlägen mit den elektronischen Schlüsseln vermerkt gewesen. «Diese Namen wurden nicht von uns ausgewählt. Ich weiß nicht, wer sie sich ausgedacht hat», sagte der 68-Jährige, der in Begleitung von zwei Anwälten erschien.
Der Zeuge berichtete, der mitangeklagte Anwalt der Block-Gruppe habe ihm geraten, mit seinem Team im Elysée-Hotel zu wohnen. In anderen Hotels wären sie sonst womöglich gefragt worden, wer sie seien. Der Anwalt habe ihm auch Schlüssel zu seinem Büro in der Altstadt gegeben und dem Team Räumlichkeiten in einer oberen Etage zur Verfügung gestellt.
Observation mit Drohne und Kameras
Dort hätten die Israelis Informationen gesammelt und Daten recherchiert. Auch die Bilder von Kameras am Haus von Blocks Ex-Mann in Dänemark seien dort ausgewertet worden. Für die Büroräume sei ihnen ebenfalls nichts in Rechnung gestellt worden – «nicht für den Kaffee oder sonst irgendwas».
Er selbst sei einige Male nach Süddänemark zum Wohnort von Hensel gefahren, um das Haus zu observieren, sagte der Zeuge. Zwei- oder dreimal hätten Mitarbeiter seines Teams Drohnen eingesetzt, um das Gebäude und die Kinder von oben zu beobachten. Außerdem seien Ende Februar 2023 zwei Kameras in der Nähe des Gartenzauns installiert worden. Die mit Powerbanks und Handys verbundenen Geräte hätten Live-Bilder nach Hamburg übertragen.
Besonders intensiv fragte Hildebrandt zu angeblich geplanten Nachforschungen zu einer Hamburger Familienrichterin, die im Sorgerechtsstreit um die Kinder eine Rolle spielte. Die Amtsrichterin sei «schrecklich» und verzögere alles, soll Christina Block geäußert haben. In einer Nachricht an ihn soll die 52-Jährige ihn aufgefordert haben, die Frau zu überprüfen.
Zeuge hat Erinnerungslücken
Die Richterin ließ den Zeugen aus seinem beschlagnahmten Notizbuch einen Eintrag vorlesen, in dem auch die Familienrichterin erwähnte wurde. Mindestens achtmal fragte Hildebrandt nach, was dieser Eintrag bedeute. Der Zeuge erklärte, er erinnere sich nicht. Hildebrandt hielt ihm auch einen Zettel aus seinem Notizbuch vor, auf dem die Namen von drei Journalisten notiert waren. Auch daran erinnerte sich der mutmaßliche Chef der Entführer nicht.
«Nicht jede seiner Erinnerungslücken ist völlig nachvollziehbar», sagte Philip von der Meden, der Blocks Ex-Mann vertritt, am Rande des Prozesses. «Wenn der Zeuge hier etwas tun will für sein eigenes Verfahren, dann wird er an der ein oder anderen Stelle noch mal etwas genauer nachdenken müssen.»
Der Prozess wird am Donnerstag fortgesetzt. Wegen terminlicher Schwierigkeiten soll es nur eine halbstündige Verhandlung ohne Zeugenbefragung werden.
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