Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine: Hamburg und Schleswig-Holstein kommen an Kapazitätsgrenzen

Der weiter große Zustrom ukrainischer Kriegsflüchtlinge nach Hamburg stellt die Behörden vor Probleme. Wegen langer Warteschlangen vor einer neuen Regisitierungsstelle in Wandsbek wurden Geflüchtete, die bereits eine private Unterkunft haben, am Mittwoch gebeten, vorerst nicht mehr dorthin zu kommen. Eine erst am Montag fertiggestellte Notunterkunft in den Messehallen war schon in der Nacht zum Mittwoch voll belegt. Angesichts der Lage forderte die CDU den rot-grünen Senat auf, die Bundeswehr um Hilfe zu bitten.

Nach Angaben der Innenbehörde wurden seit dem russischen Angriff auf die Ukraine 2.098 Vertriebene in Hamburg registriert. Allerdings seien die Registrierung noch nicht in allen Fällen abgeschlossen. Es ist davon auszugehen, dass weit mehr Kriegsflüchtlinge in der Stadt sind, wie Sozialsenatorin Melanie Leonhard (SPD) bereits Dienstag betonte.

Kapazitätsgrenzen langsam erreicht

Seit Mittwoch sollten sich Ukrainer, die bereits privat untergekommen sind, in einer neuen Registrierungstelle in Wandsbek registrieren lassen, nachdem es zuvor in der zentralen Ankunftsstelle in Rahlstedt zu stundenlangen Wartezeiten gekommen war. Schon am Vormittag warteten auch in Wandsbek Hunderte. Am Nachmittag forderten die Behörden die Flüchtlinge per Twitter auf, besser «in den kommenden Tagen» vorzusprechen. „Nachteile entstehen dadurch nicht.“

Inzwischen seien mehr als 1.100 Menschen in städtischen Unterkünften untergebracht worden, meldete die Innenbehörde am Mittwoch. In den Messehallen wurde die Kapazitätsgrenze von 950 Plätzen erreicht. 250 weitere Plätze würden in einer angrenzenden Halle geschaffen, sagte Markus Kaminski vom Deutschen Roten Kreuz. Er sprach von einer Notlösung. „Das ist im Prinzip ein Lager aus Feldbetten. Wir hoffen, dass wir es in diesem Maße nicht brauchen.“

Zahlreiche Geflüchtete stehen in einer Schlange zur Registrierung am Ankunftszentrum Rahlstedt. Foto: Jonas Walzberg

Die Unterkunft in der riesigen Messehalle war erst am Montag vom DRK fertiggestellt worden. Sie besteht aus durch Trennwände abgegrenzte, nach oben offene Kabinen, in denen jeweils zwei Doppelstockbetten, Schränke, ein Tisch und Stühle aufgebaut sind. Zudem gibt es einen Catering-Bereich und Sanitär-Container.

Harmonisches Miteinander trotz bedrückender Situation

Die Messehallen sollen nur als Übergangsunterbringung dienen, bis die Flüchtlinge auf andere Unterkünfte in der Stadt verteilt werden können. Daran werde mit Hochdruck gearbeitet, sagte Kaminski. Er lobte die Geduld der Flüchtlinge. Es werde gegenseitig viel Rücksicht genommen. „Das Miteinander in dieser ja eigentlich eher bedrückenden Situation ist sehr harmonisch.“

Derzeit werde eine beaufsichtigte Beschäftigung für die vielen kleinen Kinder vorbereitet, die zumeist mit ihren Müttern aus dem Kriegsgebiet geflohen seien. „Die Großen können draußen Fußballspielen, das ist kein Problem“, sagte Kaminski.

Unterkunftssystem wird kontinuierlich ausgebaut

Der Senat hatte bereits vor zwei Wochen angekündigt, in einem ersten Schritt bis zu 3.000 Plätze aus der vorhandenen Unterkunftsstruktur zur Verfügung zu stellen. Aufgrund der aktuellen Entwicklungen würden die Kapazitäten kontinuierlich ausgebaut, hieß es aus der Innenbehörde. „Dies betrifft neben den Kapazitäten im bestehenden Unterkunftssystem auch die Nutzung von Hotels oder Jugendherbergen.“

Zudem werde die Unterbringung von bis zu 900 Kriegsflüchtlingen an der Schnackenburgallee vorbereitet. «Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl von Angeboten von Privatpersonen und aus der ukrainischen Community, Geflüchtete bei sich unterzubringen.»

Der Senat solle die Bundeswehr um Hilfe zu bitten, forderte CDU-Fraktionschef Dennis Thering. Offenbar stünden für den schnellen Aufbau der Unterkunft an der Schnackenburgsallee nicht genügend Wohncontainer zur Verfügung, „weil Hamburg offenbar trotz der Erfahrungen aus 2015 weiterhin über keinen entsprechenden Grundvorrat verfügt.“ Deshalb müsse die Stadt die Bundeswehr um Unterstützung bitten, „um zumindest für einen kurzen Übergang Aufenthalts- und Übernachtungszelte auf geeigneten Plätzen anbieten zu können“.

Niemand dürfe in der Stadt ohne Unterbringungsangebot bleiben, sagte Thering. Zugleich sei aber auch der Bund in der Pflicht, die Verteilung der Flüchtlinge aus der Ukraine zwischen den Bundesländern zu organisieren.

Auch Zahl in Schleswig-Holstein steigt weiter

Die Zahl der in Schleswig-Holstein eintreffenden Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine steigt weiter. Bisher wurden in den Landesunterkünften etwa 1.200 erfasst, wie das Innenministerium am Mittwoch auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur mitteilte. Derzeit hielten sich dort etwa 700 Menschen aus der Ukraine auf. Rund 500 seien bereits auf Kommunen verteilt beziehungsweise privat untergekommen, sagte ein Ministeriumssprecher.

Die Geflüchteten werden in den Landesunterkünften registriert, vorläufig untergebracht, medizinisch untersucht und bei Bedarf gegen das Coronavirus geimpft. Nach dem Willen der Landesregierung sollen die Menschen möglichst schnell auf die Kommunen verteilt werden.

Unterkünfte aus 2015 werden reaktiviert

Allein die Landeshauptstadt bereitet sich auf Hilfe für mehr als 1.000 Geflüchtete vor. Bei der Unterbringung und Versorgung greife sie auf Erfahrungen und Strukturen aus dem Jahr 2015 zurück, als viele Flüchtlinge aus Syrien gekommen waren. Viele Unterkünfte und Helfersysteme aus der damaligen Flüchtlingssituation ließen sich schnell und unkompliziert reaktivieren, gab die Stadt an.

100 Plätze stünden bereits in Flüchtlingsunterkünften zur Verfügung. Die Betten seien bezogen, die Zimmer hergerichtet und die Mitbewohner informiert. 200 weitere Plätze seien in unmittelbarer Vorbereitung.

Noch einmal 700 Plätze sollen in den nächsten Tagen geschaffen werden. Da die Stadt erwartet, dass viele Geflüchtete mit dem Zug kommen werden und dies auch am Wochenende und nachts, richtet sie ein Willkommenszentrum ein. In der Nähe des Rathauses wird es darüber hinaus eine Anlaufstelle geben, in der die Geflüchteten auch nachts versorgt werden können, bevor sie dann auf die Unterkünfte verteilt werden.

„Kiel stellt sich seiner humanitären Verantwortung bei der Aufnahme der schutzsuchenden Menschen“, erklärte Sozialdezernent Gerwin Stöcken. „Gemeinsam werden wir allen Geflüchteten unabhängig von ihrer Herkunft, ihrer Religion oder ihrem Geschlecht humanitäre Hilfe gewähren und all jene, die bereits seit Jahren bei uns Schutz suchen, nicht vergessen.“ Die Stadt will auch die Unterbringung in privaten Wohnungen und Häusern koordinieren. Wer separate Ferienwohnungen oder Etagen in Einfamilienhäusern für geflüchtete Menschen zur Verfügung stellen will, kann sich ab der kommenden Woche im Amt für Wohnen und Grundsicherung melden.

mit dpa

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