Badeunfälle: Wie Sie Ertrinkende erkennen und was Sie tun können

Die Daten, die die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) zusammengetragen hat, sind alarmierend: 2022 sind in Deutschland mindestens 355 Menschen ertrunken, 56 mehr als im Jahr zuvor. Und auch in der laufenden Badesaison schnellt die Zahl der Unfälle deutschlandweit wieder nach oben.

Immer wieder kommt es an den Küsten Niedersachsens und Schleswig-Holsteins zu Badeunfällen. Foto: Denis Foemer (DLRG)/Archiv

Besonders betroffen sind dabei natürlich auch die Küstenregionen von Schleswig-Holstein und Niedersachsen. Plötzlich auffrischende Winde lassen unvorhersehbar starke Strömungen entstehen, die selbst geübte Schwimmer:innen in nur kurzer Zeit in lebensgefährliche Situationen bringen können. Thies O. Wolfhagen, DLRG-Landesleiter in Schleswig-Holstein, erklärt: „Bei Ostwind und starker Brandung kommt es vermehrt zu starken Unterströmungen durch das rückfließende Wasser, sogenannte Rippströmungen. Diese gefährlichen Unterströmungen sind für den Laien nicht mit bloßem Auge erkennbar.“ Teilweise beginnen solche Strömungen bereits einen Meter vom Strand entfernt. Aber auch die Elbe stellt Badegäste durch Tide und starke Strömungen immer wieder vor große Herausforderungen, die letztlich in Rettungseinsätzen für den DLRG enden.

Wie erkenne ich, ob jemand ertrinkt?

In Filmen geht das Ertrinken immer laut und geräuschvoll vonstatten, doch in der Realität ertrinken Menschen in der Regel still und leise. Schreien und auf sich aufmerksam machen, das kostet viel Kraft, die ein:e Ertrinkende:r im Ernstfall nicht hat. Außerdem machen die Stimmritzen zu, sobald Wasser hineinkommt. Das ist ein natürlicher Schutzmechanismus, der verhindern soll, dass Wasser in die Lunge gelangt. Er verhindert aber auch, dass Sauerstoff hinein kommt. Der oder die Ertrinkende hat keine Luft mehr, kann aber auch keine neue Luft einatmen.

Die DLRG Wasserrettung eilt einem Schwimmer zu Hilfe. Foto: DLRG

Auch die Rettenden der DLRG haben manchmal Schwierigkeiten zu erkennen, ob jemand ertrinkt. Anzeichen für das sogenannte „stille Ertrinken“ können aber zum Beispiel sein, dass ein:e Schwimmer:in nicht mehr gerade im Wasser liegt und sich fortbewegt, sondern gerade im Wasser steht, als wolle sie oder er eine Treppe hinaufsteigen. Auch hektische, unkontrollierte Schwimmbewegungen können auf Ertrinken hindeuten, erklärt der DLRG auf seiner Webseite. Wenn man sich nicht sicher ist, sollte man andere Badegäste ansprechen und auf die Person aufmerksam machen. Und falls ein:e Bademeister:in vor Ort ist, sollte diese unbedingt informiert werden.

Als erstes immer den Notarzt rufen

Dr. Jan Wnent ist Notarzt und Mitglied im Wissenschaftlichen Arbeitskreis Notfallmedizin der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin e.V. (DGAI). Er weiß, worauf es bei einer Rettung aus dem Wasser ankommt. Der Notfallmediziner weist aber ganz klar darauf hin, dass man auch als Rettende:r zuallererst den Notruf wählt, oder eine andere Person anweist dies zu tun, sodass schnell professionelle Hilfe kommen kann.

Dann gilt: Je eher eine ertrinkende Person aus dem Wasser gezogen wird, desto besser stehen ihre Chancen zu überleben und keine langfristigen Schäden davonzutragen. Wie aber vorgehen, wenn eine Person aus dem Wasser gerettet wurde? „In jedem Fall prüft man zunächst, ob der Patient oder die Patientin bei Bewusstsein ist und, sollte dies nicht der Fall sein, ob er oder sie atmet. Dazu dreht man die Person auf den Rücken, überstreckt ihren Kopf, in dem man ihn leicht in den Nacken legt. Dann beugt man sich mit dem eigenen Gesicht nahe an ihr Gesicht und blickt dabei selbst in Richtung ihrer Füße. So kann man zum einen hören, ob der Verunglückte atmet, zum anderen erkennen, ob sich der Brustkorb hebt und senkt. Außerdem fühlt man durch die Nähe zum Gesicht auch den Atemstoß an der eigenen Wange. Atmet der Patient normal, so sollten die Atemstöße regelmäßig und relativ tief sein. Dann legt man ihn in die stabile Seitenlage. Nicht normal ist hingegen eine ganz flache, oberflächliche und unregelmäßige Atmung, die sogenannte Schnappatmung. Die ist wie ein Atemstillstand zu bewerten und im Zusammenhang mit Bewusstlosigkeit ein Zeichen für einen Herz-Kreislauf-Stillstand. Dann beginnt man sofort mit den Wiederbelebungsmaßnahmen. Das gilt ebenso, wenn der Patient oder die Patientin gar nicht atmet und nicht bei Bewusstsein ist“, weiß Dr. Wnent.

Herzdruckmassage und Beatmung: Wenn mehrere Personen anwesend sind, kann man sich abwechseln

Herzdruckmassage bei einer Schwimmerin. Foto: C.D. peopleimages.com/stock.adobe.com

„Der Patient oder die Patientin sollte auf dem Rücken auf einer harten Unterlage liegen. Dann platziert man selbst den Handballen der einen Hand auf dem Brustbein des Patienten in der Mitte des Brustkorbes. Die andere Hand ist über der ersten Hand. Man drückt dann den Brustkorb fünf bis sechs Zentimeter nach unten. Die Frequenz sollte dabei bei 100 bis 120 liegen. Was man beachten muss: Badeunfälle gehen häufig mit einem akuten Sauerstoffmangel einher. Wenn man es sich zutraut, sollte man denjenigen daher auch beatmen“, erklärt der Arzt.

Eine reine Herzdruckmassage reicht also nicht aus. Durch den Sauerstoffmangel ist eine Beatmung wirklich wichtig: „Auch hierbei überstreckt man wieder den Kopf, legt eine Hand auf die Stirn und kann mit dieser gleichzeitig mit Daumen und Zeigefinger die Nase des Bewusstlosen zuhalten. Die andere Hand liegt unter dem Kinn. Bei der Mund-zu-Mund-Beatmung sollte man so viel an Luft abgeben, wie man selbst ausatmen würde. Das heißt, wenn man aus dem Augenwinkel sieht, dass sich der Brustkorb des Patienten hebt, ist das vollkommen ausreichend.“ Jeweils zwei Beatmungen sollten sich immer mit 30 Herzdruckmassagen abwechseln und zwar so lange, bis bis der Rettungsdienst eintrifft. Deshalb rät der Notfallmediziner: „Besser ist es, wenn mehrere Personen anwesend sind, dann kann man sich regelmäßig abwechseln.“

Kann ich mich über Mund-zu-Mund-Beatmung infizieren?

Klar, aber Dr. Wnent weist auch nochmal darauf hin, dass das Risiko einer Infektion sehr gering ist. Viel mehr ist es eine psychologische Hürde, die hier bewältigt werden muss.

Bei Kindern bis zum Jugendlichen-Alter sollte man erst einmal mit fünf Initialbeatmungen anfangen. Außerdem wird die Herzdruckmassage – je nach Körperbau – nur mit einer Hand durchgeführt und auch nicht so stark gedrückt wie bei Erwachsenen. Das Verhältnis von Herzdruckmassagen zu Beatmungen liegt dann bei 15 Mal drücken, zwei Mal beatmen. Notärzte und Rettende des DLRG weisen allgemein darauf hin, dass Laien sich im Ernstfall nicht zu viele Gedanken machen sollen, ob wirklich alles an der Rettung korrekt verläuft. Helfen sei in jedem Fall die bessere Alternative. Eine gebrochene Rippe kann wieder heilen, ohne Sauerstoff kann der Mensch hingegen nicht lange überleben.

Quellen: DLRG Landesverband Schleswig-Holstein e.V., Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin e.V. (DGAI)

Andrea Marie Eisele

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