Finn Kliemann und seinem Team wurde der Deutsche Nachhaltigkeitspreis wegen „Greenwashing“ wieder aberkannt. Unternehmen, Verbände, Geschäftspartner ziehen sich aus der Beziehung zu dem Musiker und Unternehmer zurück. So erklärte der FC St. Pauli, dass sie von einem geplanten Projekt mit Kliemann und Global Tactics wieder Abstand genommen haben. Der Verein erklärte außerdem, dass man rechtliche Schritte einleiten werde, sollten sich die Vorwürfe gegen das Textilunternehmen und Kliemann bewahrheiten.

Der #fcsp hat durch die Veröffentlichung der Recherche durch das ZDF Magazin Royale von den Vorwürfen gegenüber Fynn #Kliemann und Global Tactics erfahren. Wir nehmen die Vorwürfe sehr ernst und befinden uns mit Hochdruck in der internen Aufarbeitung.https://t.co/V0FFrOw34F
— FC St. Pauli (@fcstpauli) May 6, 2022
Auch Viva Con Agua, ein Unternehmen, das bereits lange mit Fynn Kliemann zusammenarbeite, kündigte nun alle Geschäftsbeziehungen zu dem YouTuber und Global Tactics. Das Unternehmen steht gemeinsam mit Kliemann in der Kritik.
2. Stellungnahme zu den Vorwürfen gegenüber #fynnkliemann und Global Tactics: (1/2) „Die Berichterstattung des @zdfmagazin über Fynn Kliemann und Global Tactics hat uns bestürzt und getroffen. Die geschilderten Vorgänge stehen in krassem Gegensatz zu unseren Werten… pic.twitter.com/5mHc6XLBX6
— Viva con Agua (@VivaconAgua) May 9, 2022
Streit mit Versandhändler About You
Auch das Hamburger Mode-Versandunternehmen About You hat zunächst die fraglichen Masken aus dem Sortiment entfernt, dann in einem nächsten Schritt sogar den Kliemann-eigenen Shop auf der Website deaktiviert. Nach Aussage des Geschäftsführers von About You, Tarek Müller, habe Kliemann ein falsches Statement verbreitet, in dem es hieß About You hätte von der nicht europäischen Herkunft der Masken gewusst. Der About You Chef twitterte daraufhin:
Europas, stammten“.
Das stimmt nicht. Hier unser Statement dazu:
„Dass die Masken teilweise nicht in Europa produziert wurden, war uns bis heute nicht bekannt und wir haben den Fall unverzüglich intern geprüft, um uns ein genaues Bild zu machen. Darüber hinaus haben wir (2/5)— Tarek Müller (@TarekMueller) May 6, 2022
Der Textilhersteller habe angegeben, dass die Masken aus Europa stammen. „Nach den uns vorliegenden Informationen hat uns Global Tactics weder im Jahr 2020, noch danach, darüber informiert, oder uns darauf hingewiesen, dass die Masken außerhalb Europas hergestellt werden“, so Müller. Das Unternehmen wolle sich nun ein genaues Bild von dem Sachverhalt verschaffen.
Die Hintergründe: Masken-Deals, vorsätzliche Täuschung, Betrug
Bei dem Fall Kliemann geht es unter anderem um die Frage, ob der tatsächliche Produktionsort, der von Kliemann und seinem Partner Global Tatics beauftragten Corona-Schutzmasken, nicht wie angegeben Europa, sondern Asien war und ob diese Tatsache bewusst verschleiert wurde.
Satiriker Jan Böhmermann hatte zuvor den Fall öffentlich gemacht. In seiner TV-Show berichtete er von dem Verdacht, dass die Schutzmasken zu Billiglöhnen in Vietnam und Bangladesch produziert seien und davon, dass die Beteiligten bewusst eine falsche Herkunft vorgetäuscht haben sollen. Fans sind wütend, enttäuscht, und viele andere sind verwirrt. Der Fall ist zu einem Kampf um Glaubwürdigkeit geworden.
Dass sich etwas zusammenbraute, konnte die Netzgemeinde bereits vorab erahnen. Böhmermann parodierte Kliemann in den Wochen vor der Ausstrahlung bereits online. Auf einem schnöden Parkplatz präsentierte er ihn als Typen, der seine Mitarbeiter gängelt und rumbrüllt. Die Redaktion von Böhmermanns Show „ZDF Magazin Royale“, sendete dem Influencer Kliemann vor Ausstrahlung einen Fragenkatalog und gab ihm die Möglichkeit zu den einzelnen Punkten der „TV-Anlage“ Stellung zu beziehen. Kliemann reagierte öffentlich via Instagram, gestand zu diesem Zeitpunkt aber keine Fehler ein.
Viele Fans enttäuscht, andere fassungslos
Der Norddeutsche Kliemann präsentiert sich als Self-Made-Typ und Freigeist. Jemand, der Dinge anpackt. Der für die gute Sache kämpft und jede Menge Leute mobilisieren kann. Neben seiner Musikkarriere ist das wohl bekannteste Projekt das „Kliemannsland“, ein Bauernhof im niedersächsischen Ort Rüspel. Dort hat er eine Art Abenteuerspielplatz für Erwachsene errichtet. Dort wird gebastelt, geschraubt, Musik gemacht – Besucher:innen können Workshops buchen. Außerdem ist Fynn Kliemann durch zahlreiche Heimwerker-YouTube-Videos bekannt. Dort folgen ihm Hunderttausende. Zudem ist der 34-jährige Geschäftsmann. Neben Beteiligungen an mehreren Firmen, ist er Geschäftsführer des Mode-Online-Shops „Oderso“, wo es laut Webseite „faires Zeug aus Europa“ gibt. Nach den nun bekanntgewordenen Deals von Kliemann & Co. hat dieser Zusatz einen ziemlich faden Beigeschmack.
Kliemann will bei der Aufklärung unterstützen
Der Fall ist detailreich. Für den Außenstehenden ist das in der Kleinteiligkeit schwer sortierbar. Vieles muss von Beteiligten noch genau überprüft werden. Was stimmt, was stimmt nicht? Neben den Fragen zur Herkunft der Masken sprach Böhmermann auch über Masken, die an Geflüchtete gespendet wurden. Sie sollen fehlerhaft gewesen sein. In den Recherchen ging es außerdem um den Umgang mit Spendengeldern. Kliemann reagierte nach dem Böhmermann-Beitrag mit einem langen Statement, in dem er zwar Fehler einräumte, aber auch um einen differenzierten Blick auf die Details bat. Am Montag postete Kliemann dann ein Statement, indem er um Zeit bat und versicherte, sich voll an der Aufklärung beteiligen zu wollen.
Quellen: LMAAFK.de, dpa, Tarek Müller auf Twitter, Viva con Agua, FC ST. Pauli, fymbim
Andrea Marie Eisele mit dpa