„Periodenarmut“: Wenn das Geld für die Menstruation nicht reicht

Foto: Plan International/Eva Haeberle

Fast jede vierte Frau in Deutschland hat finanzielle Mühe, sich mit Hygieneprodukten während ihrer Periode zu versorgen. Das ist nur eines der Ergebnisse einer repräsentativen Befragung der Kinderrechtsorganisation Plan International Deutschland mit Sitz in Hamburg. Der Bericht „Menstruation im Fokus. Erfahrungen von Mädchen und Frauen in Deutschland und weltweit“, der in Zusammenarbeit mit der gemeinnützigen Organisation WASH United zum Weltmenstruationstag (jedes Jahr am 28. Mai) entstanden ist, liefert erstmals umfassende Erkenntnisse zum Umgang mit der Periode in Deutschland.

1.000 Frauen – aber auch 1.000 Männer, da es sich um ein gesamtgesellschaftlich relevantes Thema handelt – zwischen 16 und 45 Jahren nahmen an der bundesweiten Umfrage teil. Jede zweite Frau gab dabei an, sie würde sich besser mit Tampons und Binden versorgen, wenn diese weniger Geld kosteten. Bei den 16- bis 25-Jährigen war der Anteil sogar noch höher. Jede zehnte Frau gab zudem an, den Wechsel von Binden, Tampons oder Slipeinlagen wegen Geldmangels hinauszuzögern – und riskiert damit (wissentlich) schwerwiegende gesundheitliche Probleme, wie das toxische Schocksyndrom oder eine Infektion. „Die sogenannte ‚Periodenarmut‘ ist also auch in Deutschland Realität“, weiß Kathrin Hartkopf, Sprecherin der Geschäftsführung von Plan International Deutschland.

Grafik: Plan International

Der Begriff „period poverty“ oder zu Deutsch „Periodenarmut“ bedeutet, dass Menstruierende aufgrund finanzieller Engpässe keinen ausreichenden Zugang zu Hygieneprodukten haben. Die Ausgabenspanne für die Menstruationsgesundheit liegt laut der Organisation zwischen fünf und 35 Euro pro Monat, je nachdem, welche Kosten hierbei berücksichtigt werden. Zwar sind die Kosten für Periodenprodukte nach der Mehrwertsteuer-Reduzierung in Deutschland im Januar 2020 (von 19 auf sieben Prozent) gesunken, dennoch bleiben die Ausgaben insbesondere für finanziell schwache Bevölkerungsgruppen hoch. Zudem müsse man bedenken, dass Frauen hierzulande im Durchschnitt 19 Prozent weniger verdienen als ihre männlichen Kollegen (im Vergleich zu 15 Prozent Pay-Gap im EU-Durchschnitt).

Tabus und Stigmata rund um die Periode

Deutschland im Jahr 2022: vorurteilsfrei, aufgeklärt und periodenfreundlich? „Wir sind noch weit davon entfernt“, kritisiert Kathrin Hartkopf. Rund ein Drittel der Befragten fühle sich aufgrund der Menstruation „unrein“. 97 Prozent der befragten Mädchen und Frauen gaben an, Blutflecken auf der Kleidung als Worst-Case-Szenario zu empfinden. Mehr als jede zweite Frau empfindet es laut Umfrage als äußerst unangenehm, dass ein Tampon oder eine Binde aus der eigenen Tasche fällt und selbst beim Kauf von Hygieneprodukten wie Tampons, Binden oder Slipeinlagen schämen sich noch sechs Prozent der Befragten.

Grafik: Plan International

Die große Mehrheit der Mädchen und Frauen hat während der Periode zudem mit körperlichen und psychischen Begleiterscheinungen zu kämpfen. Diese sind schwer mit einer Hochleistungsgesellschaft zu vereinen, die den Betroffenen täglich viel abfordert. Zudem werde seit Jahrzehnten durch Werbung und Industrie vermittelt, dass die Periode keine Einschränkung für den Alltag bedeute – was jedoch für viele so nicht stimmt. Vor allem sportliche Aktivitäten würden laut der Befragung abgesagt oder eingeschränkt. Besorgniserregend: Fast jede dritte Befragte gab als Grund für eine Absage oder Einschränkung eine mangelnde bzw. mangelhafte Toiletten- und Hygienesituation an. Und mindestens jede zweite Betroffene empfindet eine solche Absage als unangenehm oder sehr unangenehm.

Medikamente, um im Alltag zu funktionieren

Am größten sei die Sorge bei Krankmeldungen in Job, Schule, Ausbildung oder Universität und laut Plan International Deutschland sei es alarmierend, dass 39 Prozent der befragten Menstruierenden während der Periode Schmerzmittel einnehmen, um ihren Alltag zu bewältigen und dadurch schädliche Nebenwirkungen wie Entzündungen im Magen-Darm-Trakt oder Probleme mit Leber oder Nieren in Kauf nehmen.

Warnehmung von Männern

Diese Sorgen von Frauen, auf Unverständnis zu stoßen, scheint nicht unbegründet, wenn man sich noch folgendes Ergebnis der Befragung ansieht: 79 Prozent der Männer hätten laut eigener Aussage schon mal einen „blöden Spruch“ über die Periode gemacht oder eine solche Bemerkung bei einem Freund mitbekommen. Und jeder fünfte Mann findet es übertrieben bis nicht hinnehmbar, wenn sich Frauen während der Periode einschränken oder gemeinsame Aktivitäten absagen.

Nur Mädchen- und Frauensache?

Immerhin: Etwas mehr als die Hälfte der Befragten gab an, beim Thema Menstruation von der Partnerin einbezogen zu werden. Etwa jeder Dritte unterhalte sich demzufolge mit engen Freundinnen darüber. Jeder Fünfte gab jedoch auch an, das Thema mit gar keiner Frau zu besprechen – dies betreffe insbesondere jüngere Männer. Ein Viertel der Befragten informiere sich lieber im Internet, anstatt direkt mit jemandem darüber zu sprechen und jeder siebte Mann will gar nicht wissen, was während der Periode passiert. Gut jeder Zehnte ist laut Befragung der Meinung, dass die Periode ausschließlich Mädchen- und Frauensache sei.

Das fordern Menstruierende

79 Prozent der Menstruierenden finden, dass Schulen besser und offener über die Periode informieren sollten. Zudem wurde die mangelnde Ausstattung von Toiletten in öffentlichen Einrichtungen kritisiert. 82 Prozent der Befragten sagen, dass dort Hygienebeutel, Mülleimer, Seife sowie ausreichend Platz vorhanden sein sollten. Und 80 Prozent finden, dass Tampons und Binden in öffentlichen Gebäuden kostenlos verfügbar sein und mehr nachhaltige Periodenprodukte angeboten werden sollten.

Männer wollen offenbar gerne stärker einbezogen werden

68 Prozent der Menstruierenden sind der Meinung, dass Jungen und Männer stärker in das Thema einbezogen und darüber aufgeklärt werden sollten. Und was sagen diese selbst? Bei den Männern fällt die Zustimmung zu den Wünschen von vielen Frauen generell etwas verhaltener aus. Interessant sei jedoch, dass 50 Prozent angeben, ebenfalls gern stärker in das Thema Periode einbezogen und darüber informiert zu werden. Knapp jeder zweite Mann hätte demnach gern Vertrauenspersonen, um darüber zu sprechen. Jeder zweite fände es gut, wenn Frauen offener mit Männern über ihre Periode sprechen würden.

Die Forderungen von Plan International und WASH

Laut Plan International Deutschland muss die Menstruation endlich das werden, was sie ist: die normalste Sache der Welt. Kein Mädchen, keine Frau und keine menstruierende Person sollte aufgrund der Periode daran gehindert werden, ihre Rechte wahrzunehmen und ihr volles Potenzial zu entfalten. Doch dafür müsse sich sowohl in Deutschland als auch global einiges ändern. Schottland und weitere Regierungen haben es bereits vorgemacht und stellen in allen öffentlichen Einrichtungen gratis Periodenprodukte zur Verfügung. Plan International fordert daher für Deutschland bundesweit kostenlose Periodenprodukte in allen Schulen, Universitäten und öffentlichen Einrichtungen. Darüber hinaus sollen Sanitäranlagen in Schulen und öffentlichen Gebäuden verbessert werden. Die Menstruationsaufklärung an Schulen müsse sich verbessern, Perioden-Tabus müssten beendet werden und von der Politik müsse es mehr Finanzmittel für Menstruationsgesundheit und -hygiene geben.

Weiterführende Informationen:

Gloria Saggau mit Plan International Deutschland

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