Auf die erste Verhandlungsrunde folgt die erste Eskalation: Ab heute Abend wird bis Donnerstagabend der Bahnverkehr bundesweit von der Lokführergewerkschaft GDL bestreikt. Die Deutsche Bahn rechnet mit massiven Auswirkungen.
Aufgrund des Warnstreiks von Mittwoch um 22 Uhr bis Donnerstag um 18 Uhr müssen sich Fahrgäste bei der Bahn auf einen stark eingeschränkten Fernverkehr einstellen. „Wir rechnen damit, dass weniger als 20 Prozent der Intercity- und ICE-Züge fahren“, sagte ein Bahnsprecher am Mittwochvormittag. Vollständig eingestellt werde der Fernverkehr allerdings nicht. Es sei gelungen, einen Notfahrplan aufzustellen. Die digitalen Fahrauskünfte sollen bis zur Mittagszeit auf dem endgültigen Stand sein. Es würden vor allem lange Züge eingesetzt, um möglichst viele Plätze anbieten zu können.
Auch Regionalverkehr betroffen
„Erfahrungsgemäß wird es auch im Regionalverkehr massive Einschränkungen geben“, hieß es. „Wir rechnen auch damit, dass in einzelnen Regionen gar keine Züge mehr fahren können.“ Auch hier gelte der Appell an die Fahrgäste, sich vor Fahrtantritt online zu informieren. Ebenfalls deutlich betroffen werde der Schienengüterverkehr sein.
Infotelefon
Die Bahn hat eine Rufnummer eingerichtet (0800/996633) unter der sich betroffene Fahrgäste seit Mittwochmorgen über die Auswirkungen informieren können.
- Ausführliche Informationen zu Reisen während des GDL-Streiks
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Welche Rechte haben Betroffene?
Zug fährt nicht
Fährt der Zug nicht oder wird absehbar mindestens 60 Minuten verspätet am Ziel sein, kann man den Ticketpreis zurückverlangen. Man hat aber auch die Möglichkeit, die Reise zu einem späteren Zeitpunkt fortzusetzen, wobei man stets auch eine andere, vergleichbare Verbindung zum Zielort wählen kann.
Das hält auch die DB auf ihrer Infoseite zu den Sonderkulanz-Regelungen fest. Generell sollten sich die betroffenen Reisenden die aktuellen Infos des Unternehmens in solchen Fällen durchlesen. Wer etwa am Mittwochabend reisen wollte, hatte diesmal zum Beispiel die Möglichkeit, die Reise vorzuverlegen – und mit einem früheren Zug zu fahren. Das ist tatsächlich Kulanz der Bahn und in den gesetzlichen Fahrgastrechten so nicht festgehalten.
Das gilt auch für das Angebot der DB, dass Tickets für Mittwoch und Donnerstag zu einem späteren Zeitpunkt genutzt werden können – und zwar unabhängig davon, ob die konkrete, eigene Verbindung am Ende tatsächlich durch den Warnstreik betroffen ist oder nicht.
Zug fährt nicht mehr weiter
Wer unterwegs strandet, hat Anspruch auf Mahlzeiten und Erfrischungen in einem angemessenen Verhältnis zur Wartezeit bei Verspätungen von mehr als einer Stunde oder Zugausfällen.
Ist klar, dass es an einem Tag nicht mehr weitergeht, muss das Bahnunternehmen für eine Unterbringung in einem Hotel oder in einer „anderweitigen Unterkunft“ (laut EU-Regeln) sorgen und den Transfer dorthin organisieren.
Wer auf eigene Faust ein Hotelzimmer bucht, sollte sich vorher von der Bahn bestätigen lassen, dass keine Weiterfahrt möglich ist und sie nicht mit einer Unterkunft helfen kann.
Eine gute Übersicht über Bahngastrechte, beispielsweise auch zur selbst organisierten Weiterreise in bestimmten Fällen und zu Rechten im Regionalverkehr, bietet die Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr (söp) auf ihrer Webseite soep-online.de an.
Entschädigung bei Verspätung
Die gibt es auch bei Warnstreiks. Kommt der Zug mehr als eine Stunde zu spät am Ziel an, kann man 25 Prozent des Fahrpreises verlangen, bei mehr als zwei Stunden sind es 50 Prozent.
Wichtig: Droht man durch einen Zugausfall einen gebuchten Flug zu verpassen, haftet die Bahn nicht für mögliche Kosten.
Eine Hintertür bietet sich nach Angaben der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg für Reisende, die sogenannte „Rail&Fly“-Tickets über die Airline gebucht haben. Dann sei die Fahrt zum Airport Teil der Flugbuchung und die Airline müsse für Ersatzbeförderung sorgen.
Muss ich trotzdem zur Arbeit?
Wenn das Bahnpersonal streikt und deshalb der Regional- und Fernverkehr weitgehend stillstehen, müssen Arbeitnehmer:innen dennoch pünktlich beim Job erscheinen. „Das sogenannte Wegerisiko trägt immer der Arbeitnehmer, ob Streik oder nicht“, sagt Rechtsanwältin Nathalie Oberthür. Denn bei einem Streik handelt es sich nicht um ein unvorhergesehenes Ereignis. In der Regel wird er rechtzeitig, also etwa am Vortag oder sogar noch früher, angekündigt. Das ist auch dieses Mal der Fall.
Andere öffentliche Verkehrsmittel, Carsharing, kurze Wege – in der Stadt ist das Ausweichen in der Regel leichter als auf dem Land. Rechtlich tut das aber nichts zur Sache. „Zur Not müssen Arbeitnehmer auf eigene Kosten ein Taxi nehmen, auch das ist zumutbar“, sagt Oberthür.
Und wie sieht es mit Homeoffice aus? Ist Homeoffice sowieso schon Praxis im Arbeitsalltag, haben Arbeitnehmer:innen gute Chancen, dieses auch für den Streiktag gestattet zu bekommen. Im Rahmen seiner Fürsorgepflicht dürften Arbeitgeber:innen in diesem Ausnahmefall verpflichtet sein, die Arbeitsleistung zu Hause zu ermöglichen. Rechtsprechung hierzu gibt es allerdings bislang noch nicht.
Mit dpa